3 March 2021

Erörterungen zur Rezeption apokalyptischer Visionen durch die nationalkonservative Zeitschrift MUT





Vor dem Centre Pompidou zählt eine digitale Endzeituhr die uns bis zum Jahr 2000 verbleibenden Sekunden. In den USA werden bereits jetzt Flugreisen über die Datumsgrenze des 31. Januar 1999 zur Buchung angeboten. Zum Ausgang dieses Millenniums wird dazu eine Endzeithysterie inszeniert, in der die aufgeklärte Gesellschaft jenem Bild sich anzuglei­chen anschickt, das sie ehemals auf die letzte Jahrtausendwende projiziert hatte. Zwanzig Jahre ist es nun her, daß der Club of Rome seine von den Automobilkonzernen Fiat, Ford und Volkswagen mitfinanzierte Studie "Grenzen des Wachstums" herausge­bracht hat. Die euphorisch zur Umkehr mahnende Studie ba­sierte auf Computer-Daten, deren Aufbereitung bei Nichtbe­achtung solcher Faktoren wie 'sozialer Wandel' und 'politische Steuerung' erfolgte. Auf dramatische Weise richtete der Club seine Botschaft an die Entscheidungsträ­ger in aller Welt; 15.000 von ihnen, die auserwählte Welte­lite, erhielt die Studie gratis zugesandt. Der Club-Kriti­ker Claus Koch hatte einen passenden Sarkasmus parat: "Computer-Kassandra" nannte er die Unternehmung.



Untergang, Umbruch, Wende als auch Apokalypse sind im gesellschaftlichen Diskurs gebräuchliche Vorstellungen. In Deutschland hatte es 1989 wieder mal eine "Wende" gegeben. Seit jener Zeit gibt es in diesem Land, wie es im offiziel­ len Sprachgebrauch heißt, die ''Fünf Neuen Bundesländer" und die "Altbundesländer". Alte wie neue Länder wurden bald von Pogromwellen überzogen. Der tränentriefende Einheitstaumel fand seine ersten Opfer unter zufluchtsuchenden Nicht-Deut­schen. Die asylsuchenden Menschen wurden in den deutschen Medien permanent mit Vorstellungen wie "Flut", "Schwemme" oder "Lawine" assoziiert. So wurde das beängstigende Bild einer scheinbar hereinbrechenden Naturkatastrophe entworfen. Die sogenannte Wende feierte ein Künstler als Moment der "deut­schen Katharsis": Der Mensch im Osten Deutschlands sollte nun "rein wie am ersten Tag" sein. Es schien nun auch der Augenblick gekommen zu sein, daß Deutschlands Kultur von jüdischen Einflüssen befreit werden muß. Deutschland sollte seinen Platz in einem Europa des "heiligen Reichs der Kulturnationen" wiederfinden, dieses Reich müßte, in der Vision des Künstlers, von einer Elite beherrscht werden. Derartige Ausfälle stießen auf herbe Kritik und wurden als verrückte Spinnereien eines Minderbemittelten abgekanzelt. Dessen apokalyptisehe Vorstellungen haben aber Tradition; sie läßt sich bis zur Entstehung des politischen Nationa­lismus in Deutschland zurückverfolgen. Dieser ist seit seiner Geburtsstunde von religiös-apokalyptischen Vorstel­lungen geprägt. Auch die Texte des empirischen Materials meiner Ar­beit stehen im Zeichen von Untergang und Umbruch. Unter­sucht werden Texte der Zeitschrift MUT. Diese ist im Zei­tungsbetrieb der Bundesrepublik relativ marginal. Sie prä­sentiert sich heute als gut aufgemachtes Kulturblatt. Sein Inhalt ist unverfänglicher geworden, und es deutet schein­bar nichts mehr darauf hin, daß MUT als Deutschlands größte rechtsradikale Jugendzeitschrift bekannt geworden war. Mit meiner Arbeit wird der Versuch unternommen, Wand­lung und Kontinuität von MUT aufzuzeigen. Es wird beschrie­ben, wie MUT-Autoren auf spezifische und historisch ver­gleichbare Weise apokalyptische Visionen in Gebrauch zu nehmen verstanden. Sie geben vor, Krisen lösen zu wollen; diese Vorgabe ist aber eher eine Reminiszenz an weithin geltende Konventionen. Gegenteilig insistieren MUT-Texte auf den Abbau von gesellschaftlichen Institutionen und der Vermittlung, das heißt von Demokratie. Weiterhin wird der po­litische Kontext der Zeitschrift und einiger ihrer Autoren skizziert. In einem Exkurs erfolgt ein Hinweis darauf, wie auch von links-alternativer Seite die Apokalyptik in problematischer Weise aufgegriffen wird.




Doctoraal Examen / Master Thesis
by Ralph Thomas Kappler

Supervisor: Prof. Lammert Leertouwer
Referee: Prof. Dr. Pieter van Koningsveld
F
aculty: Vergelijkende Godsdienstwetenschap
Leiden University, Netherlands


17 November 2019

Jeder kann Sorbe werden




Als “Serbske Nowiny” Korrespondent habe ich für Chefredakteur Benedikt Dyrlich einige Jahre aus London und Brüssel berichtet. Heute meine Reflexionen zum Überleben der Sorbischen Zivilisation: ”Jeder kann Sorbe werden” - das sind kluge, visionäre und verblüffende Worte. Ich schätzte diesen kosmopoltischen Impuls. Sorben sind über Jahrhunderte aber auch entrechtet, vertrieben und Germanisiert worden. Heute werden einige der letzten Sorbischen Lebens- und Sprachinseln dem Kohlewahn geopfert, derweil auch das Innenministerium “Deutsche Freunde der Sorben” als “Sorben” in der  Lausitz implantiert, die dort als angebliche Stimme der Sorben flanieren und Diskurse lenken. Ist es klug und visionär die eigene und besondere Geschichte, die auch eine Geschichte der Beharrung, der Überlebenskunst und versuchten Auslöschung der autochthonen Slawischen Zivilisation in Deutschland ist, ohne Gegenleistungen, klar umrissene Verpflichtungen und beherztes Engagement abzutreten? ( www.halo-energy.com )