Vor dem Centre Pompidou zählt eine digitale Endzeituhr die uns bis zum Jahr 2000 verbleibenden Sekunden. In den USA werden bereits jetzt Flugreisen über die Datumsgrenze des 31. Januar 1999 zur Buchung angeboten. Zum Ausgang dieses Millenniums wird dazu eine Endzeithysterie inszeniert, in der die aufgeklärte Gesellschaft jenem Bild sich anzugleichen anschickt, das sie ehemals auf die letzte Jahrtausendwende projiziert hatte. Zwanzig Jahre ist es nun her, daß der Club of Rome seine von den Automobilkonzernen Fiat, Ford und Volkswagen mitfinanzierte Studie "Grenzen des Wachstums" herausgebracht hat. Die euphorisch zur Umkehr mahnende Studie basierte auf Computer-Daten, deren Aufbereitung bei Nichtbeachtung solcher Faktoren wie 'sozialer Wandel' und 'politische Steuerung' erfolgte. Auf dramatische Weise richtete der Club seine Botschaft an die Entscheidungsträger in aller Welt; 15.000 von ihnen, die auserwählte Weltelite, erhielt die Studie gratis zugesandt. Der Club-Kritiker Claus Koch hatte einen passenden Sarkasmus parat: "Computer-Kassandra" nannte er die Unternehmung.
Untergang, Umbruch, Wende als auch Apokalypse sind im gesellschaftlichen Diskurs gebräuchliche Vorstellungen. In Deutschland hatte es 1989 wieder mal eine "Wende" gegeben. Seit jener Zeit gibt es in diesem Land, wie es im offiziel len Sprachgebrauch heißt, die ''Fünf Neuen Bundesländer" und die "Altbundesländer". Alte wie neue Länder wurden bald von Pogromwellen überzogen. Der tränentriefende Einheitstaumel fand seine ersten Opfer unter zufluchtsuchenden Nicht-Deutschen. Die asylsuchenden Menschen wurden in den deutschen Medien permanent mit Vorstellungen wie "Flut", "Schwemme" oder "Lawine" assoziiert. So wurde das beängstigende Bild einer scheinbar hereinbrechenden Naturkatastrophe entworfen. Die sogenannte Wende feierte ein Künstler als Moment der "deutschen Katharsis": Der Mensch im Osten Deutschlands sollte nun "rein wie am ersten Tag" sein. Es schien nun auch der Augenblick gekommen zu sein, daß Deutschlands Kultur von jüdischen Einflüssen befreit werden muß. Deutschland sollte seinen Platz in einem Europa des "heiligen Reichs der Kulturnationen" wiederfinden, dieses Reich müßte, in der Vision des Künstlers, von einer Elite beherrscht werden. Derartige Ausfälle stießen auf herbe Kritik und wurden als verrückte Spinnereien eines Minderbemittelten abgekanzelt. Dessen apokalyptisehe Vorstellungen haben aber Tradition; sie läßt sich bis zur Entstehung des politischen Nationalismus in Deutschland zurückverfolgen. Dieser ist seit seiner Geburtsstunde von religiös-apokalyptischen Vorstellungen geprägt. Auch die Texte des empirischen Materials meiner Arbeit stehen im Zeichen von Untergang und Umbruch. Untersucht werden Texte der Zeitschrift MUT. Diese ist im Zeitungsbetrieb der Bundesrepublik relativ marginal. Sie präsentiert sich heute als gut aufgemachtes Kulturblatt. Sein Inhalt ist unverfänglicher geworden, und es deutet scheinbar nichts mehr darauf hin, daß MUT als Deutschlands größte rechtsradikale Jugendzeitschrift bekannt geworden war. Mit meiner Arbeit wird der Versuch unternommen, Wandlung und Kontinuität von MUT aufzuzeigen. Es wird beschrieben, wie MUT-Autoren auf spezifische und historisch vergleichbare Weise apokalyptische Visionen in Gebrauch zu nehmen verstanden. Sie geben vor, Krisen lösen zu wollen; diese Vorgabe ist aber eher eine Reminiszenz an weithin geltende Konventionen. Gegenteilig insistieren MUT-Texte auf den Abbau von gesellschaftlichen Institutionen und der Vermittlung, das heißt von Demokratie. Weiterhin wird der politische Kontext der Zeitschrift und einiger ihrer Autoren skizziert. In einem Exkurs erfolgt ein Hinweis darauf, wie auch von links-alternativer Seite die Apokalyptik in problematischer Weise aufgegriffen wird.
Doctoraal Examen / Master Thesis
by Ralph Thomas Kappler
Supervisor: Prof. Lammert Leertouwer
Referee: Prof. Dr. Pieter van Koningsveld
Faculty: Vergelijkende Godsdienstwetenschap
Leiden University, Netherlands
Doctoraal Examen / Master Thesis
by Ralph Thomas Kappler
Supervisor: Prof. Lammert Leertouwer
Referee: Prof. Dr. Pieter van Koningsveld
Faculty: Vergelijkende Godsdienstwetenschap
Leiden University, Netherlands